Ehemaliger Bierkeller ist ein einzigartiges Kulturdenkmal

2000 Euro sind im Haushalt der Gemeinde Freiamt für die Sanierung eines Bier- und Eiskellers im Ortsteil Reichenbach eingestellt. Warum? Die BZ war auf Spurensuche in der Ortsgeschichte – und in der Unterwelt.

Gut vierzig Meter lang ist die künstliche Höhle, die Bierbrauer Gottlieb Haas in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts in den Fels treiben ließ. Insgesamt fünf Räume unterschiedlicher Breite und Höhe führen in nicht ganz gerader Linie leicht aufwärts in den Berg hinein. Laut Meinung der Unteren Denkmalbehörde handelt es sich dabei um ein einzigartiges Denkmal in der Region, wie Freiamts Bürgermeisterin Hannelore Reinbold-Mench im Pressegespräch erzählt.

Gottlieb Haas hatte 1874 die Erlaubnis erhalten, selbstgebrautes Bier in der eigenen Wirtschaft auszuschenken. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Schnell sprach sich herum, wie gut das Bier in der einzigen Brauerei Freiamts war, durstige Kehlen pilgerten zum Freiämter Hof.

Haas braute im Keller eines heute nicht mehr vorhandenen Nebengebäudes der Gaststätte. Für Reifung und Lagerung seines Biers brauchte er einen kalten, gleichmäßig temperierten Keller. Der erste Versuch, einen Lagerraum anzulegen, scheiterte. Zu hart sei das Gestein auf der anderen Seite des Tals im Wald unterhalb des Glasigs gewesen, erzählte der heutige Wirt Kurt Haas, der Urenkel.

Der zweite Versuch war erfolgreich. 1875 kaufte Gottlieb Haas bergseitig ein „sechzig Quadratfuß großes Ackerfeld… zu Erbauung eines Lagerkellers“ für 68 Mark und 5 Pfennig. Italienische Arbeiter gruben dann die einzelnen Räume – und schlugen sie auch in den Fels.

Der Einstieg in den Keller ist schwierig. Eine Holzverschalung stützt den Eingang, Nur noch etwa einen Meter hoch ist der Durchgang. Die untere Hälfte des Eingangs ist durch die Anhebung der Ortsdurchfahrtsstraße bei der Sanierung aufgeschüttet worden. Da ein Teil der Decke eingestürzt ist, müssen Besucher klettern. Es ist dunkel, nass und kalt. „Nehmen Sie Gummistiefel mit und vielleicht auch eine Taschenlampe“, hatte Kurt Haas am Telefon gewarnt.

 

Der linke Fuß versinkt in einer zähen Masse

Der linke Fuß versinkt in einer undefinierbaren, zähen schwarzen Masse, Die Taschenlampe liegt Zuhause. Nach wenigen Metern ist das letzte Tageslicht weg. Unglaublich dunkel ist so ein Keller ohne Beleuchtung. Als der Stiefel mit einem schmatzenden Geräusch wieder aus dem Schlick auftaucht, ist der schwache Lichtkegel von Haas’ Taschenlampe schon ein paar Schritte weiter über die tropfende Felsdecke gewandert.

Die ersten Räume haben ein Sandsteingewölbe, im dritten Raum wechselt die Decke zu Fels. Zu Gneis, wie Kurt Haas vermutet. Mauern mit unterschiedlich breiten Türöffnungen trennen die einzelnen Räume.

Sie sind zwischen 1,90 Meter und 3,70 Meter breit, zwischen 2,20 Meter und 2,65 Meter hoch. Es erfordert eine gewisse Überwindung, weiter zu gehen. Wie tief ist wohl diese Pfütze? Der Fuß stößt sich an Steinen. Der Boden ist uneben, mal rau und felsig, mal wieder knöcheltief verschlammt.

Im hintersten Raum befindet sich ein leeres, etwa zwei bis drei Kubikmeter großes Becken, indem früher Felswasser gesammelt wurde. Dessen Tropfen ist das einzige Geräusch unter der Erde. Das Wasser muss sehr gut gewesen sein, vermutet Kurt Haas. Sein Urgroßvater führte es über einen parallel zur Straße verlaufenden Graben in den Keller des Gasthauses, weiter zum „Sudkeller“ und braute damit. Neben dem Bier lagerte er auch Eis im Keller. Das holte er im Winter aus dem Mühlenkanal, es kühlte noch im Sommer. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde der Keller so genutzt. Danach war er Lagerraum, nach dem zweiten Weltkrieg auch Garage, am Ende ein etwas gruseliges Geheimnis für mutige Kinder. Später fand sich hier sogar das Versteck für einen Geo-Cache, für eine GPS-Schnitzeljagd.

Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte der Keller wieder in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bei den Vorbereitungen der 900 Jahr-Feier Reichenbachs. Jürgen Schneider vom Heimatverein dokumentierte auch den Zustand des Denkmals und begab sich auf die Spurensuche. 2012, im Zuge der Straßensanierung, nahm sich dann der Heimatverein erneut des Denkmals an. Der alte Lüftungsschacht, der oben am Hang inmitten einer Streuobstwiese herauskommt, sei mit einem Gullydeckel abgedeckt worden. Der Schacht wurde vergessen, Gras wuchs darüber. Dadurch fehlte dem Keller die nötige Durchlüftung – das aber schadet dem feuchten Sandsteingewölbe. Die Männer des Heimatvereins um Willi Gerber und Jürgen Schneider fanden den Schacht, legten 2013 die Öffnung wieder frei und legten eine Röhre, um die dauerhafte Belüftung zu gewährleisten.

 

Der Nachfahre des Erbauers will Führungen anbieten

Durch das höhere Straßenniveau und den Einsturz im Eingangsbereich ist die Entwässerung des Kellers nach wie vor unterbrochen, das Gewölbe verfällt weiter. Seit 2015 führte Eigentümer Haas mit Unterstützung des Heimatvereins Gespräche mit der Denkmalbehörde, beantragte die Sanierung, holte die Stellungnahme eines Architekten ein, zog einen Statiker hinzu, und erhielt schließlich im Jahr 2017 einen positiven Bescheid. Nun soll der erste, am stärksten gefährdete Raum zu einem Eingangsbereich mit barrierefreiem Zugang umgebaut werden. Nur so kann auch die Sanierung des restlichen Innenraums in Angriff genommen werden. Allein für den Eingangsbereich werde ein mittlerer fünfstelliger Betrag fällig werden, sagt Haas. Nach der Sanierung will er das Denkmal mit Führungen der Öffentlichkeit zugänglich machen.

 

Badische Zeitung
Von Benedikt Sommer
Sa, 12. Januar 2019 um 14:12 Uhr
Freiamt

Quelle: http://www.badische-zeitung.de/freiamt/ehemaliger-bierkeller-ist-ein-einzigartiges-kulturdenkmal–163911849.html